Montag, 13. Oktober 2008

Braunes Gold

Ich habe es schon selbst nicht mehr für möglich gehalten. Aber hier ist er: mein erster Post! Wer von Euch Kinder hat, wird verstehen, wie kostbar die gemeinsame Zeit mit ihnen ist. Und kann sich ungefähr vorstellen, wie viel davon noch für einen Blog übrig bleibt. Aber: "Versprochen ist versprochen." Sagt auch mein großer, vierjähriger Sohn immer. Zumindest dann, wenn es um meine Versprechen geht.

Bei seinen eigenen sieht er das nicht ganz so eng. Wahrscheinlich auch letztes Wochenende nicht, als wir uns bei strahlendem Sonnenschein zum Decksteiner Weiher in Köln aufmachten. Kastanien sammeln! Na ja, jedenfalls schmiss sich mein Ältester - all seinen Versprechen zum Trotz, dass er auf unserem Ausflug wirklich auf sein Fahrrad verzichten könne - nach gefühlten zehn Metern Fußweg auf den Boden. Protestierend, mit den Füßen trampelnd. Aus rein subjektiver Sicht aus gutem Grund: Er sei so müde und es ginge wirklich nicht mehr. Meine Frau schickte mich mit unserem kleinen, ein Jahr alten Sohn schon mal vor. Offiziell, um mit unserem dort unten auf dem lehmigen Waldboden liegenden Temperamentbündel kurz unter vier Augen zu sprechen. Jedoch "in Echt" - um es mit den Worten meines Großen auszudrücken - um wenigstens tagsüber meine Nerven zu schonen. Der zahnende, kleine Fetz lässt freundlich grüßen!

Nachdem ich meinem Kleinen die erste Kastanie seines Lebens in die Hand gedrückt hatte, gab es für ihn kein Halten mehr. Raus aus dem Kinderwagen, rein ins sonnendurchflutete Blättermeer aus rotem und gelbem Herbstlaub. Wie hungrige Wildschweine durchstöberten wir beide das Unterholz nach dem braunen Gold. Unser Jute-Beutel war schon zu gut einem Fünftel gefüllt, als mein Erstgeborener freudestrahlend an der Hand meiner Frau auf uns zulief. Ein hilfsbereites Senioren-Pärchen hatte an seinem nachmittäglichen Spaziergang Mitleid und Weitsicht gezeigt und meinem Ältesten mit ein paar bunten Bonbons wieder zu ungeahnten Kräften verholfen. Innerhalb von maximal zwei Minuten. Meine Frau, ihres Zeichens professionelle Pädagogin, hat es geschätzte zwanzig mit gutem Zureden probiert - erfolglos, wie ich gerne noch einmal betonen möchte. Nur für den Fall, dass sie zukünftig mal wieder meinen pädagogischen Stil kritisiert. Denn gelegentlich greife ich zu ähnlich erzieherisch wertvollen Tricks wie dem Verabreichen von Süßigkeiten. Natürlich nur, wenn ansonsten wirklich gar nichts mehr geht - was bei mir aber nur sehr, sehr selten vorkommt. Und der Erfolg gibt mir schließlich auch recht. Zumindest, wenn man seine pädagogischen Ziele relativ kurzfristig betrachtet.

Jedenfalls wirbelte auch mein ältester Spross sofort den Boden am Decksteiner Weiher komplett auf und innerhalb von dreißig Minuten hatten wir unseren Sack randvoll mit Kastanien gefüllt - sowohl mit den noch in der stacheligen grünen Schale steckenden als auch mit den bereits "geschlüpften" glatten, braunen, die sich so toll anfühlen. Und nach getaner Arbeit? Zur Belohnung ab zum italienischen Eismann auf der anderen Straßenseite, der jedem von uns eine Kugel Regenbogen-Eis in die Waffel packte. Was mein Großer jedoch sofort messerscharf als Lüge entlarvte: "Papa, da sind ja nur drei Farben drin, das ist gar kein Regenbogen." Ganz genau: Lediglich Grün, Weiß und Rot - die Farben des Fußball-Weltmeisters! Dem Himmel noch näher ging wohl nicht. "Isse doch auch schön" ließ uns der Eisverkäufer wissen. Recht hatte er. Und obendrein schmeckte es köstlich.

Mit dem Eis im Mund und unserem Kastanien-Schatz unterm Arm schlenderten wir glücklich zurück zum Auto. Was er denn nun mit den Kastanien gerne machen würde, fragte meine Frau unseren Vierjährigen. "Einfach damit spielen und Tiere basteln" war seine wie immer ehrliche und gleichermaßen putzige Antwort. Meine Frau erklärte ihm noch, dass sie gerne ein paar von den Kastanien zum Dekorieren im Wohnzimmer hätte. Und den Rest bekäme die Kindergarten-Truppe. Alternativ könnten wir diese Kastanien aber auch nach Bonn zu Haribo fahren, um sie dort gegen eine härtere Währung einzutauschen: Gummibärchen und Lakritzschnecken! Das jedenfalls war meine Idee. Die ich dann aber lieber für mich behielt. Schließlich wollte ich am Ende dieses wundervollen Herbsttags keine pädagogische Grundsatz-Diskussion mehr entfachen.

Navi: Decksteiner Weiher, Parkplatz Gleueler Straße, 50678 Köln