Montag, 20. Oktober 2008

Der mit dem Adler knuddelt

Wusstet Ihr, dass Falken mehr als 300 Stundenkilometer schnell fliegen können? Dass ein Weißkopfseeadler sein schneeweiß gefiedertes Haupt erst als ausgewachsener Raubvogel bekommt? Oder dass ein Uhu seinen Kopf um bis zu 270 Grad drehen kann und im Lateinischen den putzigen Namen "Bubo bubo" trägt? Falls Ihr über ein solches Quizshow-taugliches Know-how nicht verfügt, dann werft doch einfach mal einen Blick in "Brehms Tierreich". Alternativ gibt es aber durchaus auch die Möglichkeit, den alten Schmöker im Regal stehen zu lassen und stattdessen mit Euren Kindern Falken, Bussarde, Eulen und Adler live und hautnah zu erleben: in der Falknerei Pierre Schmidt in Erftstadt-Gymnich!

Genau das haben am vergangenen Wochenende mein vierjähriger Sohn, sein Patenonkel, der gleichzeitig auch mein Bruder ist, und ich gemacht. Danke übrigens an meinen Papa für den grandiosen Tipp! Und wenn ich vorhin das Wörtchen "erleben" benutzt habe, dann war das kein Zufall. Denn als Falkner Pierre in seiner rund einstündigen, äußerst informativen und spektakulären Flugshow seinen Steinadler im Abstand von dreißig Zentimetern über unsere instinktiv zwischen die Schultern eingefahrenen Köpfe hinweggleiten ließ, hatte ich ein kleines Tränchen im Auge. Seitdem weiß ich, warum man diesen großen Greifer den "König der Lüfte" nennt. Nur für die Statistik: knapp einen Meter Körpergröße, gut zwei Meter Spannweite.

Ob jemand mutig genug sei und Lust habe, seiner Majestät die Brust zu kraulen, fragte Falkner Pierre in die Zuschauer-Runde. Diejenigen, die das für einen Witz hielten, wie mein Bruder und ich, grinsten bloß. Der Rest, wie die beiden kernigen Hobby-Peladeure rechts neben mir, sahen eher eingeschüchtert und regungslos auf der Bank verharrend auf die cremefarbenen Kieselsteine neben ihren Füßen. Nur unmittelbar links von mir spürte ich ob des offenbar verlockenden Kuschel-Angebots eine gewisse Unruhe aufkommen. Dort saß mein Sohn, der vor lauter Aufregung auf seinem Hintern hin- und herrutschte. Was der Falkner sofort in sensibelster Greifvogel-Manier registrierte und samt gefiedertem Kollegen auf uns zukam. "Magst Du den Adler streicheln?" fragte ich meinen Stammhalter leicht irritiert. Seine Kopfbewegung war unmissverständlich. Er wollte.

Sein Patenonkel hob ihn in die Luft, so dass sich mein Söhnchen und der riesige Räuber in die Augen schauen konnten. Ich muss gestehen, dass ich in diesem Moment kurz den Atem anhielt und inständig hoffte, dass der Vogel gut gefrühstückt hatte. Denn andernfalls würde meine Frau bei nächstbester Gelegenheit mich verspeisen. Falkner Pierre erklärte meinem Ältesten, was genau er zu tun hatte. Und ganz im Gegensatz zu seinem sonstigen Naturell hielt er sich diesmal auch daran. Vorsichtig streckte er seine linke Hand aus, so dass der Adler sie sehen konnte, und streichelte mit ihrem Rücken behutsam seine goldbraun glänzende Brust. Derselbe Junge, der morgens nach dem Aufstehen noch felsenfest behauptet hatte, er könne sich seine Jeanshose wirklich nicht alleine anziehen. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten musste ich ein Tränchen verdrücken. Ein Moment für die Ewigkeit.

Dass mein Spross danach als Zugabe mit fachkundiger Unterstützung und unter Anleitung der übrigen Falkner noch einen ausgewachsenen Uhu sowie einen Falken auf seinem mit Leder ummantelten Unterarm sitzen hatte, möchte ich an dieser Stelle nur noch kurz erwähnen. War nämlich "babyleicht" wie mein Erstgeborener mir kurz und knapp auf dem Nachhauseweg erklärte. Dort habe ich ihm übrigens mit allem gebotenen Respekt auch einen neuen seiner mittlerweile zahlreichen Spitznamen verpasst: "Der mit dem Adler knuddelt". In Anlehnung an die Ureinwohner Amerikas, von denen sich nur die Allermutigsten mit den Federn des "Aquila chrysaetos", so der lateinische Name des Steinadlers, schmücken durften.

Navi: Falknerei Pierre Schmidt, Gymnicher Mühle, 50374 Erftstadt
Web: falknerei-schloss-gymnich.de